Ende September führte der diesjährige Ausflug der KMS-Mitarbeitenden in ein Kloster mitten in Bern: das Stadtkloster Frieden. Dort leben neun Erwachsene und acht Kinder als Lebensgemeinschaft und schaffen einen Ort, wo Leben, Glauben und Arbeiten zusammenkommen. Ein paar Eindrücke.
Die Friedenskirche in Bern ist kaum zu übersehen. Seit über 100 Jahren thront sie auf einer Anhöhe, dem Veilihubel (Veilchenhügel), über dem Mattenhof-Quartier. Der Friedensschluss, der 1918 den 1. Weltkrieg beendete, gab der Kirche ihren Namen. Neben dem eigentlichen Kirchengebäude stehen ein Kirchgemeindehaus und ein Pfarr- und Sigristenhaus – alles verbunden durch einen kleinen Park mit schönen Aussichten auf die Stadt Bern. Und seit 2023 wächst und gedeiht hier etwas Besonderes: das evangelische Stadtkloster Frieden.
Vom Kirchenareal zum Stadtkloster
Wegen des Mitgliederschwunds überlegte die Reformierte Kirche Bern vor einigen Jahren, wie das Kirchengebäude mitsamt Areal anders genutzt werden könnte. Mitglieder der Communität Don Camillo (siehe Kasten) brachten die Idee eines Stadtklosters ein: ein Ort, an dem Leben, Glauben und Arbeiten zusammenkommen, ein Treffpunkt für das Quartier, mit Platz für Veranstaltungen sowie Raum für Spiritualität und die Auseinandersetzung mit Glaubensfragen. Damit stiessen sie bei der Reformierten Kirche auf offene Ohren, auch weil die so Kirche weiterhin als sakraler Raum genutzt werden kann. So führte eins zum anderen: Der Verein Stadtkloster Frieden wurde gegründet und unterzeichnete bald darauf eine Nutzungsvereinbarung mit der reformierten Kirche Bern. Nach einigen Umbau- und Renovierungsarbeiten konnte das Stadtkloster eröffnet werden.
Zur Klostergemeinschaft gehören zurzeit zehn Erwachsene und acht Kinder – Familien, Einzelpersonen und Paare – die gemeinsam in den Gebäuden auf dem Kirchenareal oder gleich in der Nähe wohnen. Es ist eine bunt zusammengewürfelte, ökumenische Gruppe mit unterschiedlichsten Hintergründen und Ausbildungen. Zwei der Erwachsenen sind vom Kloster zu je 30 Prozent für administrative Aufgaben angestellt, alle anderen verdienen ihren ganzen Lebensunterhalt ausserhalb. Rund einen Tag pro Woche investieren sie ehrenamtlich in den Unterhalt der Gebäude und die Organisation der verschiedenen Angebote rund um das Kloster.
Gemeinsam beten, arbeiten und entwickeln
Inspiriert vom klösterlichen Rhythmus gehören seit Beginn regelmässige Gebetszeiten fest zum Programm – offen für alle. Zudem bietet die Gemeinschaft Themenabende an und ergänzt das Angebot der Reformierten Kirche, die weiterhin Gottesdienste in der Friedenskirche feiert. In einem Raum gleich neben dem Kirchenschiff lädt ein öffentliches Selbstbedienungs-Café täglich zum Verweilen ein. Anderswo entsteht gerade eine Klosterbibliothek mit Leseecke. Vier Räume stehen als einfache Gästezimmer zur Verfügung. Und schliesslich hat die Gemeinschaft den Umschwung aufgewertet: Dank neuen Pflanzen und verschiedenen Sitzmöglichkeiten ist ein Ort entstanden, den immer mehr Menschen aus der Umgebung nutzen.
Die Ideen für Projekte und Angebote des Stadtklosters sollen aus den Beziehungen hervorgehen, die durch das Zusammenleben entstehen. Die Gemeinschaft trifft sich deshalb wöchentlich zu einem Gemeinschaftsabend mit Essen, Bibellesen und Austausch. Einmal pro Monat arbeiten alle gemeinsam einen Morgen lang am Gebäude und im Umschwung. Ebenfalls monatlich findet ein Visions- und Planungsmorgen statt, um das Projekt inhaltlich weiterzuentwickeln. Dabei ist es der Gemeinschaft wichtig, die Bedürfnisse im unmittelbaren Umfeld zu berücksichtigen. Sie arbeitet deshalb eng mit der Kirchgemeinde Frieden sowie mit Vereinen aus Quartier und Nachbarschaft zusammen.
Finanziert durch Vermietungen und Spenden
Finanziert wird das Stadtkloster unter anderem durch die Vermietung der vielen Räume. So nutzen insgesamt zehn Chöre aus der Region die Kirche für Proben und Konzerte. Eingemietet ist auch die Musikschule Bern; weitere Räume dienen als Büros, etwa für die VBG. Eine zweite wichtige Einnahmequelle sind Unterstützungsbeiträge – unter anderem aus dem Erprobungsfonds der Reformierten Kirche Bern-Jura-Solothurn. Als Spende nicht zu unterschätzen ist schliesslich auch das unbezahlte Engagement der Klostergemeinschaft.
Noch steht das Stadtkloster am Anfang. Hier ist etwas entstanden, das trägt und inspiriert – das zeigen die Eindrücke von KMS-Mitarbeitenden:
Rose Gyger
Übersetzerin für die KMS, Täufergemeinde La Chaux-d’Abel
Der Besuch im Stadtkloster Frieden in Bern hat mich sehr beeindruckt. Heike Breitenstein und Fabian Steiner haben uns herzlich empfangen, und der liturgische Einstieg mit Gebeten, Stille und Taizé-Gesängen hat mich berührt. Das Konzept der Gemeinschaft mit den vier Schwerpunkten – Gebet, Gemeinschaftsleben, Arbeit und Gastfreundschaft – überzeugt mich sehr, und was seit 2023 entstanden ist, ist beeindruckend. Bei Heike und Fabian – und überhaupt im Stadtkloster – spürt man viel Motivation und Pragmatismus. Im Haus ist eine grosse Offenheit spürbar, besonders gegenüber den Menschen und Vereinen im Quartier, um Synergien zu suchen – vorbildlich. Der Ort und die vielen Räume eignen sich wunderbar für Besinnung, Gastfreundschaft und gemeinschaftliches Leben. Ich wünsche dem Projekt, dass die nötige Finanzierung zusammenkommt, damit es weitergehen kann.
Riki Neufeld
Pastor bei der Evangelischen Mennonitengemeinde Schänzli
Der Besuch im Stadtkloster Frieden hat einen starken Eindruck hinterlassen. Besonders eindrücklich finde ich, dass die Menschen, die dort heute zusammenleben, sich vorher gar nicht kannten. Es sind keine alten Freundinnen oder Bekannten, sondern Personen, die das gleiche Anliegen teilen: gemeinschaftlich zu leben – mitten in der Stadt – und dabei ins Quartier hineinzuwirken. Dieser Traum bestand bei einigen schon länger, schien aber eine Zeit lang begraben. Umso schöner war es zu hören, wie sich dann plötzlich Menschen fanden, die unabhängig voneinander sagten: «Ich könnte mir das auch vorstellen. Ich möchte Teil von so einem Leben sein.» Das hat für mich etwas von Berufung, von einem inneren Ruf. Für die Gemeindearbeit ist das sehr inspirierend – zu sehen, dass etwas, das man schon losgelassen hat, auf neue Art wieder aufbrechen kann. Manchmal darf man eine Idee auch begraben – und später erlebt man, wie daraus doch wieder Neues entsteht.
Luc Ummel
Pastor bei der Église Évangélique Mennonite des Bulles
Der Besuch im Stadtkloster Frieden in Bern und die Begegnung mit Mitgliedern dieser Gemeinschaft waren für mich etwas ganz Besonderes. Seit Jahren träume ich von einem gemeinschaftlichen Wohnprojekt mit klösterlicher Inspiration. Und gerade jetzt, wo wir unser Projekt in Cormoret wohl aufgeben müssen – zu teuer, das Gebäude auch nicht wirklich geeignet –, treffe ich auf eine Gruppe von Menschen, die beschlossen hat, eine Gemeinschaft des Gebets, der Arbeit und der gelebten Gastfreundschaft zu gründen. Sie haben sich in den Räumen einer reformierten Kirche eingerichtet und lassen diese mitten in einem Stadtquartier wieder aufleben. Genau das ist der Traum, den ich schon so lange hege! Diese Begegnung war für mich deshalb eine grosse Ermutigung. Getröstet hat mich auch, dass das Projekt schon beinahe begraben war. Und gerade da fanden sich verschiedene Menschen zusammen, die sich vorher gar nicht kannten – mit dem gemeinsamen Wunsch, eine Gemeinschaft zu bilden. Vielleicht ist mein Traum, ein solches Projekt zu verwirklichen, doch noch nicht gestorben? Vielleicht schläft er nur – und wird eines Tages wieder aufwachen? Die Meditation zur Geschichte der Tochter von Jairus im Lukasevangelium, die Heike Breitenstein bei unserem Besuch im Stadtkloster angeleitet hat, gibt mir Hoffnung!
Text:
Simon Rindlisbacher










