Seit dem 20. Jahrhundert werden Mennoniten als «Historische Friedenskirche» bezeichnet. Dazu passend wird die theologische Reflexion aus dieser kirchlichen Tradition als «Friedenstheologie» zusammengefasst. Dabei handelt es sich nicht um eine einheitlich definierte und verbindliche Lehre, die exklusiv mennonitisch ist. Längst beteiligen sich Menschen aus unterschiedlichen kirchlichen Traditionen an der friedenstheologischen Diskussion. Friedenstheologie bezieht sich dabei nicht auf ein spezifisches Unterthema der Theologie, sondern betrachtet «Frieden» als Leitbegriff für eine Gesamtvision Gottes, aus der heraus die gesamte Theologie betrachtet wird.
Historisch ist die Friedenstheologie unter den Mennoniten eng mit der Ablehnung von Gewalt verbunden, die sich am Gebot der Feindesliebe aus der Bergpredigt und den pazifistischen Strömungen der frühen Kirche orientiert. Als Folge davon haben Mennoniten quer durch die Jahrhunderte immer wieder den Kriegs- und Militärdienst verweigert. Heute vertreten viele Mennoniten ein umfassenderes Verständnis von Gewaltfreiheit.
Theologische Perspektiven
Der grosse Erzählbogen der Bibel zeigt: Frieden bedeutet mehr als die Abwesenheit von Krieg. Frieden gedeiht in gerechten Beziehungen, die ein gelingendes Leben für alle Kreaturen ermöglichen. Gott selbst lässt sich dabei modellhaft als gerechtes Leben in Gemeinschaft verstehen. Im Zusammenleben der Trinität können wir erkennen, wie sich unterschiedliche Personen in ihrer jeweiligen Eigenständigkeit ergänzen und versöhnt miteinander leben. In Jesus Christus hat der menschgewordene Gott das Böse durch seine Liebe gewaltfrei entmachtet, die Welt mit sich versöhnt sowie aus der Logik von Gewalt und Gegengewalt befreit. Menschen, die sich darauf glaubend einlassen, orientieren sich an der Lehre und dem Leben Jesu und werden Teil einer versöhnten Gemeinschaft in Christus. Als Friedenskirche suchen sie Mittel und Wege, um die gute Nachricht vom Reich Gottes (Gerechtigkeit, Friede und Freude) in der Kraft des Heiligen Geistes zu verkörpern.
Friedenstheologie und Friedensethik
Das Nachdenken über den «Gott des Friedens» (Friedenstheologie) ist in der mennonitischen Theologie eng mit dem Wesen und der Gestalt der Gemeinschaft (Friedenskirche) verbunden, aus der unterschiedliche pazifistische Positionen entstanden sind (Friedensethik). Manche Mennoniten vertreten eine Position der Wehrlosigkeit, die sich strikt an den Weisungen Jesu zur Feindesliebe orientiert und jegliche (militärische) Gewaltanwendung – auch zur blossen Selbstverteidigung – verweigert. Auf den Vorwurf, sich mit diesem passiven Pazifismus vor der Verantwortung für das gesellschaftliche Miteinander zu drücken, haben manche Mennoniten eine Position der aktiven Gewaltfreiheit eingenommen. Als Kontrastgesellschaft versucht die Kirche hierbei mit gewaltfreien Mitteln alternative Wege im Umgang mit Unrecht und Gewalt zu finden. Im ökumenischen Miteinander bringen sich Mennoniten auch in das Bestreben um einen «Gerechten Frieden» ein. Diese Position geht davon aus, dass Frieden und Gerechtigkeit untrennbar miteinander verbunden sind und Friedenstheologie und -ethik daher auch auf gesellschaftliche, internationale, ökonomische und ökologische Dimensionen ausgeweitet werden muss.
Weiterführende Literatur
- Amstutz, Lukas; Jecker, Hanspeter (Hg.): Fit für die Welt!? Beiträge zu einer friedenskirchlichen Theologie und Gemeindepraxis (Edition Bienenberg 6), Schwarzenfeld 2017.
- Enns, Fernando: Art. «Friedenstheologie», https://mennlex.de/doku.php?id=top:friedenstheologie
- Enns, Fernando; Weiße, Wolfram (Hg.): Gewaltfreiheit und Gewalt in den Religionen. Politische und theologische Herausforderungen (Religionen im Dialog 9), Münster 2015.
- Nauerth, Thomas (Hg.): Was ist Friedenstheologie? Ein Lesebuch. Online verfügbar: https://friedenstheologie-institut.jimdofree.com/publikationen/lesebuch-friedenstheologie/