Im März organisierte das Mennonite Central Commitee für die Nothilfegruppe der Schweizerischen Mennonitischen Mission eine Learning Tour nach Israel-Palästina. Diese führte unter anderem zu Tent of Nations. Sophie Hege, Geschäftsleiterin der Schweizerischen Mennonitischen Mission, blickt auf den Besuch des weltweit bekannten Friedensprojekts zurück.
Artikel aus dem Magazin
Christ seul, N°1163, Mai 2025
Tent of Nations ist ein 40 Hektar grosser Landwirtschaftsbetrieb im Besitz der palästinensischen Familie Nassar, christlich und lutherisch geprägt. Der Hof liegt rund zehn Kilometer südwestlich von Bethlehem im Westjordanland. Er steht exemplarisch für Frieden und gewaltfreien Widerstand. Die Familie Nassar hat sich entschieden: Sie weigert sich, Feinde zu sein, Opfer zu sein, zu hassen – stattdessen setzt sie ihr Vertrauen auf Gerechtigkeit. Wie Daoud Nassar sagt: leicht gesagt, schwer gelebt.
Ein Ort des Friedens
Wer zu Tent of Nations will, muss sich Zeit nehmen. Die direkte Zufahrt ist blockiert, man fährt durch mehrere Dörfer und muss mit Umwegen rechnen, wenn Strassensperren errichtet sind. Als wir ankamen, war es kalt – aber die Mandelbäume standen in voller Blüte. Daoud Nassar hiess uns willkommen. Die Gastfreundschaft der Familie war herzlich – auch beim Mittagessen, das aus Mujaddara bestand, einer traditionellen palästinensischen Linsen-Reis-Speise. Tent of Nations ist international bekannt, viele Menschen unterstützen die Arbeit der Familie.
Der Hof hat keinen Zugang zu Wasser- und Stromnetzen – diese Versorgung wird ihr systematisch verweigert. Gleichzeitig wachsen in unmittelbarer Nähe fünf israelische Siedlungen und eine religiöse jüdische Bildungseinrichtung. Sie verfügen über alle staatlichen Anschlüsse und umschliessen das Land der Nassars zunehmend.
Seit über hundert Jahren lebt die Familie auf diesem Grundstück. Lange Zeit bewohnte sie eine Höhle – eine in dieser Region nicht unübliche Wohnform. Auch der Geburtsort Jesu, die berühmte Krippe, war wohl eine Höhle. Inzwischen gibt es auf dem Gelände einfache Bauten und eine kleine Solaranlage. Schritt für Schritt hat sich der Hof auch zu einem Zentrum für Frieden und gewaltfreien Widerstand entwickelt.
Widerstand ohne Gewalt
Seit 35 Jahren kämpft die Familie Nassar vor israelischen Behörden und Gerichten um ihr Land. Sie besitzt einen offiziellen Grundbucheintrag aus der britischen Mandatszeit von 1925. Als der Staat Israel das Land für sich beanspruchte, wehrte sich die Familie juristisch. Die Verfahren sind langwierig und teuer – und scheinen nie zu enden.
Arbeit auf dem Hof und Kinderlager
Der Landwirtschaftsbetrieb bleibt aktiv: Wasserspeicherung, Instandhaltung von Infrastruktur und Pflege der Bäume gehören zum Alltag. Es wachsen Reben, Feigen-, Mandel- und Olivenbäume – Ausdruck von Hoffnung und Lebenswillen trotz der Unterdrückung. Jeder gepflanzte Baum ist ein stiller Akt des Widerstands, verwurzelt im tiefen Glauben, dass Gottes Gerechtigkeit letztlich siegt.
In den Sommermonaten organisiert Tent of Nations jeweils Kinderlager. 2024 konnte das Lager aus Sicherheitsgründen nicht stattfinden. Dennoch besuchten kleinere Jugendgruppen den Hof. Sie lernten, gemeinsam zu leben, Verantwortung für die Erde zu übernehmen. Die Geschichten der Kinder sind berührend – künstlerisches Arbeiten ermöglicht ihnen eine Atempause von ihrem oft harten Alltag.
Wie helfen?
Engagierte Freiwillige sind willkommen! Die Präsenz internationaler Freiwilliger und israelischer Friedensaktivist:innen auf dem Gelände ist für Tent of Nations von grossem Wert – sie bietet Schutz und schafft Aufmerksamkeit. Nach ihrem Aufenthalt berichten viele von dem, was sie gesehen haben, und tragen so zur Bekanntmachung der Situation bei.
Der Versuch, das Land von Tent of Nations zu enteignen, ist typisch für das, was in der sogenannten Zone C (einem Teil des Westjordanlands unter vollständiger israelischer Kontrolle) vielen Bäuerinnen und Bauern widerfährt. Daoud Nassar sagt dazu: «Eure Präsenz ist spürbar, wenn wir mit Behörden zu tun haben. Sie fragen sich, warum sich so viele Stimmen für unsere Gerechtigkeitssuche einsetzen. Danke, dass ihr nicht schweigt angesichts der Ungerechtigkeit.»
Freiwilligeneinsätze sind tageweise, für einige Wochen oder auch für längere Zeit möglich – Touristenvisa gelten bis zu drei Monate. Die Arbeitssprache ist Englisch oder Arabisch, vor Ort werden oft auch andere Sprachen gesprochen – je nach Herkunft der Freiwilligen.
Text:
Sophie Hege, Geschäftleiterin der Schweizerischen Mennonitischen Mission