Schweizer Mennoniten schliessen Vertrag mit dem Kanton Bern ab
Lange Zeit war das Schloss der Sitz des Regierungsstatthalters des Bernischen Amtes Trachselwald. Seit der Zusammenlegung der Bernischen Amtsbezirke im Jahr 2009 stehen die ehemaligen Amtsräumlichkeiten im Schloss Trachselwald aber leer.

Die Konferenz der Mennoniten der Schweiz (KMS) hat von Beginn der Beratungen um die Zukunft
von Schloss Trachselwald (ab 2008) ihr Interesse bekundet an einer weiteren Nutzung des Schlosses im Bereich der Geschichte des Bernischen Täufertums.
Zuerst hat Martin Hunziker als damaliger Pastor der Alttäufergemeinde Langnau die Mennoniten vertreten, assistiert von einer kleinen KMS- Spurgruppe (Ernest Geiser, Hanspeter Jecker, Michel Ummel, ab 2014 Daniel Engel). Später hat diese Spurgruppe selbst im Rahmen von verschiedenen offiziellen Gesprächen und Arbeitsgruppen über viele Jahre hinweg die Position der KMS eingebracht: Im Rahmen ihrer zwar kleinen, aber verfügbaren Möglichkeiten und vorhandenen Kompetenzen ist von der KMS stets das Interesse und die Bereitschaft zur Mitarbeit ausgesprochen worden.
Dabei standen für die KMS drei Themen im Vordergrund:

a) Die Zugänglichkeit des Bergfrieds (Turm) mit den alten Gefängniszellen sollte für die Öffentlichkeit gewährleistet bleiben,
b) Leben und Glauben, Geschichte und Gegenwart des Täufertums in seinen regionalen und internationalen Bezügen, aber auch in seiner Relevanz für aktuelle Herausforderungen sollte für Schlossbesuchende im Rahmen einer Dauerausstellung (mit allfälligen sporadischen Begleit- Veranstaltungen) vorgestellt werden,
c) die vorhandenen deutschsprachigen Schautafeln zur Täufergeschichte sollten ins Französische und Englische übersetzt werden.
Die täufergeschichtlichen Schautafeln gibt es nun dreisprachig!
In diesem Anliegen wurde die KMS unterstützt von internationalen täuferisch-mennonitischen Kirchen und Institutionen, die mit Touristengruppen seit vielen Jahren regelmässig Schloss Trachselwald besuchen. Aus Nordamerika, wo viele Nachfahren von ehemals auf Trachselwald inhaftierten Täuferinnen und Täufern leben, ist dafür im Rahmen einer Fund-Raising-Tour (2014 durch Pfr. Paul Veraguth) bereits ein finanzieller Beitrag gesprochen worden (CHF 30’000). Mit einem kleinen Teil aus diesem Fond ist nun im letzten Jahr das Schautafelprojekt finanziert und abgeschlossen worden.
Was die zwei anderen Stichworte angeht, so ist uns zum einen seitens des Kantons Bern stets zugesichert worden, dass die freie Zugänglichkeit des Turmes gewährleistet bleiben soll. Aktuell ist der Turm allerdings wegen Renovationsarbeiten (wohl noch bis Mai) geschlossen.
Schwieriger war die Frage einer täufergeschichtlichen Ausstellung. Die langwierigen Bemühungen und Verhandlungen haben nun zu einem wichtigen ersten Ergebnis geführt. Im April 2020 konnte die KMS einen Gebrauchsleihevertrag unterzeichnen mit dem Kanton Bern als Verleiher (Amt für Grundstücke und Gebäude) und der KMS als Entlehnerin.

Darin werden der KMS die Räume des Zellentraktes im Schlossgebäude (ca. 120m2 plus 40m2 Korridor) zum unentgeltlichen Gebrauch zur Verfügung gestellt. Die vorliegende Nutzungsvereinbarung regelt die Verwendung der bezeichneten Räume für eine temporäre Ausstellung zur wissenschaftlich fundierten Aufarbeitung der regionalen Täufergeschichte sowie der Leitmotive täuferischen Glaubens und Lebens. Aufgrund der vorgegebenen Infrastruktur wird die Öffnung der Ausstellung auf die Monate ausserhalb der Heizperiode beschränkt sein. Wir suchen da noch gute Lösungen.


Der vorliegende Gebrauchsleihevertrag beginnt per 1. Juni 2020 und wird für eine feste Dauer von zwei Jahren abgeschlossen. Danach kann der Vertrag von beiden Vertragsparteien unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten gekündigt werden. Diese Regelung trägt der Tatsache Rechnung, dass der Kanton Bern längerfristig einen Verkauf des Schlosses anvisiert, dass die Abwicklung eines solchen Verkaufs erfahrungsgemäss aber mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird. Seitens der KMS bedeutet dies, dass die geplante Ausstellung so zu konzipieren ist, dass sie leicht auch an einem anderen Ort platziert werden kann – falls es zu keinem neuen Vertrag mit dem Schlosskäufer kommen sollte.
Die erweiterte KMS-Spurgruppe ist bereits daran, die nächsten Massnahmen im Hinblick auf die für Ende Mai 2021 geplante Ausstellungs-Eröffnung anzupacken. Dazu gehört die Erarbeitung und Umsetzung eines inhaltlichen, eines betrieblichen und eines Kommunikations-Konzeptes.
Diese Ausstellung eröffnet faszinierende Perspektiven: Einerseits gibt sie Gelegenheit, über Leben und Glauben früherer Täuferinnen und Täufer im Emmental (und darüber hinaus) zu berichten. Anderseits soll dadurch ein Nachdenken über Relevanz der täuferischen Positionen für die Herausforderungen der Gegenwart in Politik, Gesellschaft und Kirchen angestossen werden.
Jahrhundertelang waren Täuferinnen und Täufer aufgrund ihres Glaubens mit Diskriminierung, Repression und Vertreibung konfrontiert. Viele entwickelten dabei einen neuen Umgang mit Hass, Ungerechtigkeit und Krieg. Das gilt es für die Herausforderungen der Gegenwart fruchtbar zu machen.
Bei der praktischen Umsetzung dieses Projektes wird die KMS auf das Engagement zahlreicher freiwilliger Helferinnen und Helfer angewiesen sein für Aufbau und Betrieb dieser Ausstellung, mit der wir ein zahlreiches Publikum aus einer breiteren Öffentlichkeit zu erreichen versuchen.


Die Spurgruppe plant, trotz Corona-bedingten Einschränkungen in den nächsten Monaten die KMS- Gemeinden detailliert zu informieren und zur Mitarbeit einzuladen. Nähere Auskünfte erteilen wir gerne, und Angebote zur Mitarbeit nehmen wir bereits jetzt sehr dankbar entgegen. (HPJ)
30. April 2020, Die KMS-Spurgruppe:
Hanspeter Jecker (Koord.) Fulenbachweg 4
4132 Muttenz hpjecker@gmail.com
Tel. 061 461 94 45
Michel Ummel
Les Reussilles
Ernest Geiser
Tavannes
Daniel Engel
Langnau i.E.