MWK ruft zu Versöhnung im Nahen Osten auf

Für Israelis und Palästinenser:innen gleichermassen besorgt sein
Wir Christen sind der «wilde Ölzweig», der in eine jüdische Wurzel eingepfropft ist (Römer 11,17). Daher ehren wir das Judentum und respektieren die moderne Nation Israel, wenn sie gerecht regiert und alle Völker gleich behandelt. Ebenso sind wir solidarisch mit dem palästinensischen Volk in seinem Bedürfnis, in Sicherheit und Würde in seinem eigenen Land zu leben. Wir betrauern das kürzlich von der Hamas begangene Massaker an Israelis und protestieren dagegen. Wir betrauern auch den ständigen Verlust und die Demütigung, die die Palästinenser:innen in den letzten fünfundsiebzig Jahren der israelischen Besatzung erlitten haben und auch dagegen protestieren wir.
 
Wir rufen die Christ:innen auf, in der Kraft des Heiligen Geistes die weit geöffneten Arme des Evangeliums zu verkörpern (Matthäus 28:19, 20), in der es «weder Jude noch Heide» gibt (Galater 3:28). Die Verheissungen des Landbesitzes, die Gott den biblischen Patriarchen gegeben hat, haben sich längst erfüllt (Josua 21,43-45). Das Evangelium ist keine gute Nachricht mehr, wenn es bedeutet, dass die Palästinenser:innen ihr Leben und ihre Hoffnungen für das Wohlergehen der jüdischen Menschen, die sie verdrängen, opfern müssen.
 
Das moderne Israel und die alten Versprechen
Obwohl wir den Antisemitismus verurteilen und die Notwendigkeit unterstützen, dass das jüdische Volk heute in Sicherheit lebt, betonen wir, dass es unangemessen ist, den modernen Staat Israel einfach als eine Fortsetzung des alten Israel zu betrachten. Gottes Liebe, die sich in Jesus Christus offenbart hat, schliesst Jüdinnen und Juden und Palästinenser:innen gleichermassen ein. Christen setzen ihre Hoffnung für die Zukunft auf das globale Neue Jerusalem (Offenbarung 21, 22) und nicht auf eine Abfolge von eschatologischen Ereignissen, die sich speziell auf den Nahen Osten konzentrieren.
 
Wir erinnern Christ:innen, die den modernen Staat als eine Fortsetzung des biblischen Israels betrachten, daran, dass die göttlichen Verheissungen über das Land an eine Bedingung geknüpft sind: Gottes Volk muss dem Bund gehorchen (Levitikus 18,26-29; Deuteronomium 28,15). In Erinnerung an ihr eigenes Leiden in Ägypten sollten die Israelit:innen die Schwachen gerecht behandeln (Deuteronomium 24:16-22). Die letzten Worte Jesu vor seiner Himmelfahrt waren eine Warnung an seine Anhänger:innen vor endzeitlichen Spekulationen über die Zukunft Israels (Apostelgeschichte 1:7, 8; siehe auch Markus 13:32). Stattdessen sagte Jesus: Verkündet das Evangelium allen Völkern der Erde.
 
Obwohl sie heute eine kleine Minderheit sind, gibt es in Palästina eine einheimische christliche Präsenz, deren Wurzeln bis in die apostolische Kirche zurückreichen. Diese Christ:innen leiden darunter, wenn ihre Glaubensgeschwister anderswo in der Welt Israel unkritisch unterstützen.
 
Jesus verkörpert eine globale Gerechtigkeitsvision
Als Jesus in der Woche seiner Hinrichtung in Jerusalem eintraf, weinte er über die Stadt und sagte: «Wenn ihr doch heute wüsstet, was den Frieden ausmacht» (Lk 19,42). Jesus hat auch gehandelt: Er betrat die Hallen der religiösen und politischen Macht, um sich denen entgegenzustellen, die ihre Macht missbrauchten. Nach Gottes Willen sollte der Tempel ein «Haus des Gebets für alle Völker» sein (Markus 11,17). Jesus verkörperte die Prophezeiung Jesajas, dass alle Völker nach Jerusalem strömen würden, dass die Völker der Welt ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und nicht mehr lernen würden, Krieg zu führen (Jesaja 2,2-4). Auch heute sind wir dieser Vision der Versöhnung für Israelis und Palästinenser:innen und für Völker, die sich überall auf der Welt im Konflikt befinden, verpflichtet.
 
Wir werden mit Regierungen und religiösen Führer:innen in der ganzen Welt sprechen und sie auffordern, sich um Gerechtigkeit für Palästinenser:innen und Israelis zu bemühen und nicht einfach die eine oder andere Seite zu unterstützen. Wir bitten die Nationen der Welt, keine Waffen mehr an die Kriegsparteien zu liefern und mit der Gemeinschaft der Nationen zusammenzuarbeiten, um einen gerechten Frieden zu erreichen.
 
Am Ende wird es Gott sein, der den Völkern Heilung bringt. Wir leben in dieser Hoffnung, indem wir beten: «Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden» – und indem wir dem gewaltlosen Weg Jesu, des Friedensfürsten, folgen.
 
Bis dahin rufen wir: «Gott, erbarme dich!»
 
Henk Stenvers, Präsident der MWK
César García, Generalsekretär der MWK