An der letzten Delegiertenversammlung im März 2021 wurde Gladys Geiser zur Co-Präsidentin der Konferenz der Mennoniten der Schweiz gewählt. Sie war bereits zuvor Mitglied des Ausschusses und wird das Co-Präsidium zusammen mit Lukas Amstutz wahrnehmen. Interview.
Redaktion : Könntest du uns ein paar Worte zur Einführung sagen?
Gladys Geiser : Ich wurde vor mehr als einem halben Jahrhundert in Tramelan geboren… Mit meinem Mann, unserem Sohn und seiner Familie betreiben wir einen Bauernhof in Tavannes. Die Familie, die Enkelkinder, die verschiedenen Verpflichtungen und die Ausübung einiger Hobbys machen mir Freude, schenken Befriedigung, aber auch arbeitsreiche Tage!

R : Wie würdest du deinen Enkelkindern in wenigen Worten deine Rolle als Co-Präsidentin erklären?
Meine Enkelkinder sind noch etwas zu jung, um mit ihnen über die KMS zu sprechen. Ich verbringe lieber Zeit mit ihnen, gehe mit ihnen in die Natur und erzähle ihnen vom Schöpfer oder von Jesus, der sie liebt und sie begleitet. Später kann ich ihnen sagen, dass meine Rolle darin besteht, mich zur Verfügung zu stellen, um die mennonitischen Gemeinschaften miteinander zu verbinden und ihnen unsere Besonderheiten bewusst zu machen, seien sie nun gemeinschaftlicher oder theologischer Art.
R : Was hat dich in deinem Werdegang auf diese Aufgaben vorbereitet?
G : Mein ganzes Leben! (Lacht) In unserer Familie haben wir unseren Glauben mit Konsequenz, Flexibilität, aber auch einer gewissen Strenge erlebt. Unsere Eltern liessen uns in andere Kirchen gehen, erinnerten uns aber daran, dass wir „immer wissen müssen, wohin wir zurückkehren sollten“.
Die Kinderfreizeiten in Les Mottes waren ein Höhepunkt meiner Kindheit und ein Sprungbrett für Beziehungen zu Kindern aus anderen mennonitischen Gemeinschaften. Ein mehrmonatiger Aufenthalt in Deutschland bei einer mennonitischen Familie gab mir die Möglichkeit, eine neue Kultur kennen zu lernen, zum Beispiel die Biker-Gottesdienste, die damals abgehalten wurden. Während meiner Ausbildung zur Krankenschwester in Basel hatte ich viel Spass mit der Jugendgruppe im Schänzli. Die Tatsache, dass ich zweisprachig bin (Französisch-Deutsch), ist ein Pluspunkt bei diesem Engagement für die KMS. Diese Gabe verdanke ich der Beharrlichkeit meiner Mutter.
Die Möglichkeit, in verschiedene Spiritualitäten hineinzuschnuppern, zum Beispiel in Gemeinschaften mit eher charismatischen und eher kontemplativen Tendenzen, hilft mir, meine eigenen Überzeugungen zu verstehen und zu definieren. Und schließlich sind es vor allem die FBSE- und EFRATA-Ausbildungskurse (Anm. d. Red.: Biblische Ausbildung für den Dienst in der Kirche und Frankophone Studien in täuferischer Theologie – Programme von CeFor Bienenberg), die es mir ermöglicht haben, diese Überzeugungen, die mich seit vielen Jahren begleiten, in Worte zu fassen. Ich könnte fast von einer gewissen Erfüllung sprechen.
Kurz gesagt, mein Engagement gliedert sich als Fortführung in meinem Glaubensweg ein, und die Lebensphase, in der ich mich befinde, eignet sich sehr gut dafür.
R : Was sind deine Beweggründe für dein Engagement in der Präsidentschaft, warum hast du diese Rolle angenommen?
G : Ich denke, das geschieht aus Liebe und Respekt gegenüber den verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften. Ich bin auch davon überzeugt, dass die Besonderheiten des Täufertums – die Verankerung im Wort, der Christozentrismus, die Bemühungen um Frieden und Versöhnung, das Gemeinschaftsleben, das leider etwas zurück geht, die Bedeutung der Nachfolge Christi – wesentliche Werte DER guten Nachricht sind, die wir in der Welt um uns herum weitergeben müssen.
Und schließlich ist für mich wichtig, dass ein Mann und eine Frau das Co-Präsidium zusammen wahrnehmen, weil das ein Gleichgewicht schafft, wie die Gemeinschaften vertreten sind.

R : Was ist deiner Meinung nach die grösste Stärke der KMS?
G : Ich würde sagen, dass es die Fähigkeit ist, die Verbindung zwischen den verschiedenen theologischen Sensibilitäten der KMS-Gemeinschaften aufrechtzuerhalten und die Fähigkeit, einen Dialog über heikle Themen zu schaffen und zu ermöglichen.
Eine weitere Stärke der Konferenz ist ihr Generalsekretär. Jürg ist ein sehr engagierter, motivierter, zuhörender Mensch, ein Mann des Friedens, weltoffen, intelligent und mit einem wertvollen theologischen Hintergrund.
Innerhalb des Vorstands herrscht eine wohltuende Atmosphäre, ein sehr gutes Einvernehmen; es ist eine Gruppe, die bei den aktuellen Herausforderungen auf dem richtigen Weg bleibt und sich manchmal traut, Entscheidungen zu treffen, die nicht selbstverständlich sind.
R : Auf welche KMS-Projekte bist du gespannt?
G : Nach dem letzten Jahr, das besonders turbulent war und in dem wir den Kurs halten und uns anpassen mussten, denken wir derzeit über unsere Vision, unsere Rolle und unser konkretes Engagement in theologischen und gemeinschaftlichen Projekten nach, wo wir gerne sehen würden, wie sie wachsen und sich weiterentwickeln.
Mir persönlich ist es wichtig, dass wir – die Mitglieder des Ausschusses – die verschiedenen Gemeinden besuchen. Und dann ist da natürlich noch das Projekt zum 500. Jahrestag der Reformation der Täufer. Es ist eine echte Herausforderung für den Vorstand, einen solchen Event so zu organisieren, dass sie für die heutige Zeit bedeutsam und für die Gemeinschaften erfrischend ist, indem der historische Teil des Gedenkens und die Beteiligung der Kirchen mit Überlegungen verknüpft werden, die für die heutige Welt relevant sind.
R : Was erhoffst du dir von der Konferenz?
G : Die Rolle der Co-Präsidentin ist für mich noch neu, und ich möchte einfach meinen Platz mit meiner weiblichen Farbe und Sensibilität finden. Auch wenn mir manche Bereiche etwas abstrakt erscheinen, ist eine meiner Stärken sicherlich die Beziehungsebene. Ich muss die Gemeinschaften spüren und die Menschen treffen. Die Teilnahme an einem Gottesdienst am Sonntagmorgen zum Beispiel scheint mir ein interessanter und realistischer Weg zu sein. Es ist mir ein Anliegen, Menschen zu finden, die sich engagieren, und sie zu unterstützen, vor allem für die Veranstaltungen zum 500-jährigen Jubiläum, aber auch in den verschiedenen Kommissionen. Ich arbeite gerne kollegial, gemeinsam neue Ideen zu finden, ist mir sehr wichtig. Wir sind ein Team, in dem wir aufeinander angewiesen sind, und für mich ist das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Beziehungen entscheidend, um effektiv zu sein.
R : Welche Herausforderungen im Zusammenhang mit der KMS liegen für dich als Co-Präsidentin vor?
G : Eine meiner Aufgaben ist es, dazu beizutragen, Ideen und motivierte Menschen zu finden, um den 500. zu feiern.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, Zeit für Reflexion und Gebet einzuplanen. Wie bei jeder Verpflichtung gibt es Einschränkungen, und es ist manchmal schwierig, Familienleben, Kirchenleben und Freizeit unter einen Hut zu bringen.
Es ist auch wichtig, dass ich weiß, wie ich junge Menschen dazu ermutigen kann, sich zu engagieren und neue Mitglieder für den Ausschuss zu finden.
Die Konferenz setzt sich aus Gemeinschaften mit unterschiedlichen Identitäten zusammen, und ich halte es für wesentlich, in unserer Vielfalt, die, wie wir nicht vergessen dürfen, auch unsere Stärke ist, eine gewisse Einheit und Verbundenheit zu wahren. In diesem Sinne möchte ich zusammen mit den anderen Mitgliedern des Vorstandes dazu beitragen, die immer komplexer und heikler werdenden Fragen der theologischen Orientierung mit Weisheit und Unterscheidungsvermögen zu betrachten.

R : Welcher Leiter oder Leiterin inspiriert dich?
G : Ich ziehe den Begriff „Hirte“ dem Begriff „Leiter“ vor.
Ich würde sagen, zuallererst Christus, Jesus! Seine bedingungslose Liebe, seine Nähe zu den Jüngern, mit denen er ein Team bildet, seine Vertrautheit mit dem Vater, sein persönlicher Umgang mit den Menschen, all das inspiriert mich. Er richtet auf, ermutigt, heilt, hört zu, teilt Mahlzeiten, fragt, sendet und vertraut. Das Bild eines Hirten am Rande eines Feldes, der seine Schafe aus der Ferne bewacht und sie grasen lässt, spricht mich an: Es steht für mich für die Freiheit, die in Christus gewährt wird, aber auch für die Vorstellung von seinem Schutz, seiner Fürsorge und seiner Nähe.
Wenn ich eine Person nennen müsste, die mich inspiriert, würde ich Martin Luther King nennen, wegen seines Verständnisses und seiner Auslegung des Wortes Gottes, seines Sinns für Gerechtigkeit und seiner Verbundenheit mit Christus.
R : Was sagst du zu der Tatsache, dass du die einzige Frau im Ausschuss bist?
G : Sehr schade! Ich fühle mich aber sehr gut in das Team integriert und wohl. Meine Kollegen sind wirklich nett und respektvoll, aber ich bin immer noch überzeugt, dass ein oder zwei jüngere Frauen eine Bereicherung wären. Ich denke, dass die Ebendbildlichkeit Gottes vollständig ist, wenn Frauen und Männer gemeinsam dienen, und das gilt auch für einen Vorstand wie den unseren.
R : Das letzte Wort …
G : Ich denke, dass der 500. Geburtstag eine gute Gelegenheit ist, die Gemeinschaften in ihrer Einheit voranzubringen und den Mitgliedern zu helfen, sich in die KMS eingebunden zu fühlen. Nur wenn alle mitmachen, kann die KMS das Leben in Christus auf bunte und relevante Weise leben und bezeugen.