Ismael Schnegg und Mael Loosli leiten als Co-Präsidium gemeinsam die Mennonitischen Jugendkommission der Schweiz. Zwei junge Männer, zwei unterschiedliche Charaktere, eine gemeinsame Überzeugung: Glaube wird in Gemeinschaft lebendig. Ein Porträt.
Auf den ersten Blick scheinen sie wenig gemeinsam zu haben: Ismael Schnegg, 26, verheiratet, Vater von zwei Söhnen, wohnt in Tavannes – ist ruhig, überlegt, etwas kontemplativ. Mael Loosli, 21, lebt in einer Wohngemeinschaft in Reconvilier, ist begeisterter Mechaniker, spontan, energiegeladen, voller Ideen und Projekte. Und doch führen sie heute gemeinsam die Mennonitische Jugendkommission der Schweiz (MJKS). Zusammen verkörpern sie eine neue Generation von Leitungspersonen: fest im Glauben verwurzelt, offen für die Welt, der Jugend verbunden – und mit einem Herz für ein Miteinander aller der Christ:innen.
Unterschiedliche Wurzeln, gemeinsame Überzeugung
Ismaels Glaube hat sich in verschiedenen kirchlichen Umfeldern entwickelt. «Meine Grosseltern sind Mennoniten, meine Eltern auch. Aber ich bin in einem Umfeld aufgewachsen, in dem die mennonitische Kultur präsent war, ohne, dass ich sie im Alltag zwingend gelebt habe.» Die Erfahrungen, die er in verschieden Gemeinden gesammelt hat, sind ihm wichtig: «Ich bin zwischen vielen Kirchen aufgewachsen. Meine Mutter stammt aus einem katholischen Umfeld, mein Vater aus einem evangelisch-mennonitischen.» Die Unterweisung habe er in einer Freikirche gemacht, bei den Brüderbewegung habe er die Freitagsschule besucht, freitagabends sei er zu Chrysalide gegangen. «Mir fehlte wohl etwas die Orientierung, aber heute bin ich dankbar dafür. Es hat mich gelehrt, dass Einheit möglich ist – auch in der Vielfalt», sagt er rückblickend.

Vor allem in der Kirche des Plein Évangile findet er einen Ort, an dem sein Glaube Wurzeln schlägt. «Ich habe dort viele positive Erfahrungen gemacht: eine lebendige Gemeinschaft, starke Beziehungen, einen konkreten Glauben.» Diese Zeit war jedoch auch von einem schwierigen Bruch mit seinen Eltern geprägt – ein Wendepunkt in seinem Weg im Glauben.
Nach dieser Zeit der Ungewissheit schloss er sich 2017 der Evangelischen Mennonitengemeinde von Tavannes (EEMT) an, wo er den Glauben in Gemeinschaft wiederentdeckte. «In der Jugendgruppe fand ich echte Freundschaft und einen gemeinsam gelebten Glauben. Dort habe ich verstanden, dass Kirche in erster Linie aus Menschen besteht, die sich für etwas einsetzen.» Nach und nach übernahm er Verantwortung: «Mit Freunden begannen ich, Aktivitäten zu organisieren, Treffen zu leiten … das war ein Sprungbrett.» Aus dieser Zeit hat Ismael die Freude an Gemeinschaft und am Dienst für andere mitgenommen.
Verwurzelt und offen
Bei Mael hat sich der Glaube kontinuierlich entwickelt und verankert. «Ich bin in der Evangelischen Mennonitengemeinde Moron aufgewachsen. Ich habe alles mitgemacht: Sonntagsschule, Unterweisung, Jugendgruppe… Ich war oft in der Jungschi und wurde später Leiter.» Die Gemeinde war für ihn immer ein heimatlicher Ort – ein Raum der Freundschaft und des Lernens. «Dort bin ich gross geworden, dort fühle ich mich zu Hause.» Durch die Gemeinde kam er auch zur MJKS: Zwei Personen aus seiner Gemeinde, die bereits dort engagiert waren, luden ihn irgendwann ein, an einer Sitzung des Arbeitsausschusses der Kommission teilzunehmen. «Ich fand das cool und hatte Lust, Verantwortung zu übernehmen. Ich wollte anderen Jugendlichen das ermöglichen, was ich selbst erlebt hatte.»

Als der damalige Präsident Valentin dos Santos einen Nachfolger suchte, zögerte Mael zuerst: zu jung, zu früh, zu gross die Aufgabe. Dann entstand die Idee einer Co-Präsidentschaft mit Ismael und für Mael war die Sache klar: «Da habe ich sofort Ja gesagt. Ismael und ich kannten uns auch schon ein wenig – wir sind sogar Cousins zweiten Grades!»
Zwei Ansätze, die sich ergänzen
Ismael und Mael – das ist eine Mischung aus Gelassenheit und Energie. Der eine spricht ruhig, überlegt, um das Wichtigste mit den passenden Worten zu sagen. Der andere stürzt sich ins Tun, organisiert, treibt an. «Ich arbeite gern mit Mael zusammen, weil er unternehmungslustig ist», sagt Ismael. «Er motiviert die Leute, bringt sie voran. Er ist lustig und ernst zugleich – das macht die Zusammenarbeit angenehm.» Mael lächelt: «Was Ismael sagt, ist immer durchdacht und tiefgründig. Seine Sichtweise ist spannend. Er bemerkt Dinge, die mir entgehen würden.» Zwischen ihnen gibt es keine Hierarchie, keine Konkurrenz. Nur zwei Zugänge, die sich ergänzen und gegenseitig bereichern. «Wir haben noch nicht oft zusammen gearbeitet, aber jedes Mal ist es wirklich cool», fügt Mael hinzu.
Die Jugend als gemeinsames Anliegen
Was die beiden verbindet, ist ihre Leidenschaft für junge Menschen. «Es ist ein superinteressantes Alter», sagt Ismael. «In dieser Zeit entscheidet sich vieles. Junge Menschen sind ehrgeizig, wollen Neues entdecken, wissen aber noch wenig. Es ist schön, sie zu begleiten, wenn sie beginnen, sich von ihren Eltern zu lösen und ihren eigenen Weg zu finden.» Mael nickt. Auch er hat erlebt, wie wichtig Gemeinschaft ist: «Es fiel mir viel leichter zu glauben, wenn ich von anderen Jugendlichen umgeben war. In diesen Momenten habe ich Gott wirklich erlebt.»
Beide beobachten, wie sich die Zeit verändert. Ismael hat beispielsweise den Eindruck, dass sich manche Jugendliche heute weniger Fragen stellen: «Vielleicht wegen Covid. Diese Generation ist ohne viele Konfrontationen oder Debatten aufgewachsen. Es gibt weniger Reibungspunkte, weniger Auseinandersetzung.» Mael sieht das positiver und vertraut auf die Dynamik der Gruppe: «Bei Move, im Arbeitsausschuss der MJKS, herrscht eine super Stimmung. Wir sind Freunde, wir arbeiten ernsthaft, aber wir haben auch viel Spass. Ich glaube, genau das spricht junge Menschen an – ein Glaube, der mit Freude gelebt wird.»
Glaube zwischen Sinn und Offenheit
Für Ismael bedeutet Glaube vor allem Kohärenz und Sinnsuche. Er habe das Bedürfnis, dass das, was er tue, Sinn ergebe. Etwas tun, einfach damit es getan sei, das könne er nicht. «Im Glauben ist es für mich genauso: Ich wünsche mir, dass wir zum Wort Gottes zurückkehren und es wirklich umsetzen. Dass wir uns von Traditionen lösen, die uns trennen, und uns auf das Wesentliche besinnen – auf die Bergpredigt, die Zehn Gebote.»
Mael hingegen hat eine unkomplizierte Beziehung zu seinem Glauben: «Ich bin mit mennonitischen Werten aufgewachsen, habe aber gelernt, nicht zu denken, dass wir die Einzigen sind, die recht haben. Auch wenn man bei uns zu Hause sagte, der Herr spreche Berndeutsch», sagt er lachend. Dann wird er ernster: «Das ist eine Art zu sagen, dass wir in einer Blase aufgewachsen sind – aber mir ist unterdessen bewusst, dass Gott grösser ist als unsere Grenzen.» Die Geschichte der Mennoniten sei schön und inspirierend, aber Gott spreche auch zu anderen.
Hier stimmen ihre Sichtweisen wahrscheinlich am meisten überein: in In ihrem Wunsch nach einem grossen Miteinander aller Christ:innen. Für Mael beginnt dieses Miteinander bereits im Move-Team: «Wenn wir dieses als Verantwortliche nicht selbst leben, wie sollen die Jugendlichen daran glauben? Auch das ist ein Zeugnis.»
Zwei erfüllte Leben
Abseits ihrer neuen Rolle bei der MJKS führen die beiden Co-Präsidenten ein erfülltes Leben. Ismael jongliert zwischen seinem Job als Verkaufsberater bei der UFA, seiner Mitarbeit auf dem Bauernhof der Familie und dem Leben mit seiner Frau Coraline und den beiden Söhnen Jérémia und Mattia. «Wenn ich zu 80 Prozent auf dem Hof und zu 20 Prozent für die Kirche arbeiten könnte, wäre das mein Traumjob», sagt er lächelnd. Er spricht liebevoll von seiner Frau: «Coraline liebt die kleinen Dinge. Sie unterstützt mich sehr.» Und über seine Kinder: «Sie haben mir beigebracht, das Leben zu geniessen und mich über die scheinbar unbedeutenden Dinge zu freuen.»
Mael entdeckt derweil das selbstständige Leben: Wohngemeinschaft, Kochen, Alltag organisieren. «Ich lebe zum ersten Mal allein – das verändert alles. Es gefällt mir gut, auch wenn ich manchmal gern zu meinen Eltern zurückkehre.» Sein Beruf als Baumaschinenmechaniker begeistert ihn, doch er bleibt offen für Neues. «Vielleicht mache ich in zehn Jahren etwas ganz anderes», sagt er. Er träumt von einem Haus, einer Familie – aber vor allem davon, in Moron zu bleiben: «Da ist meine Gemeinde, mein Zuhause. Ich möchte mich dort weiterhin engagieren.»
Ihre Gebete für morgen
Was wünschen sich die beiden für die MJKS? Ismael überlegt kurz: «Dass wir uns um die wirklichen Bedürfnisse der Jugendlichen kümmern. Wir wissen nicht immer, was sie anspricht. Ich wünsche mir, dass wir die Weisheit und Inspiration haben, ihnen das zu geben, was sie brauchen.» Mael ergänzt: «Dass wir eine lebendige, geeinte und auf Gott ausgerichtete Jugend bleiben. Dass sich die Jugendlichen in ihren Gemeinden wohlfühlen und Lust haben, sich zu engagieren.»
Am Ende des Gesprächs wird klar: Das Duo ist mehr als eine Co-Präsidentschaft. Es ist ein Symbol. Ein Symbol für den Übergang zwischen zwei Generationen, für den Dialog zwischen Erfahrung und Aufbruch – für eine Kirche, die Seite an Seite unterwegs ist.
Der eine bringt Tiefe, der andere Energie. Der eine beobachtet, der andere initiiert. Doch beide gehen denselben Weg, getragen von der Überzeugung: Glaube wird in der Gemeinschaft lebendig.
Text:
Maude Burkhalter










