
Ich arbeite für einen Arbeitgeber, der eher skeptisch war gegenüber „home office“; nachdem der Bund das Social Distancing vorgeschrieben hat, ist es uns jedoch gelungen, in ein wenigen Tagen, ungefähr 200 Mitarbeiter zu Fern-Angestellten zu umzuformen. Nach einigen Wochen sind die Feedbacks der Fernarbeit weitgehend positiv und die technischen Probleme zu vernachlässigen.
Technik im Dienst der Kirche
Während der Zeit, als wir auch die ganze Arbeit in der Industrie optimierten, wird mir allmählich bewusst, dass die Kirchen und die christlichen Gemeinden eine Veränderung erleben – eine Digitalisierung – vergleichbar mit der in den Betrieben. Die Pfarrer und Gemeindeleiter mussten neue Kommunikationswege finden, um die Krise zu bewältigen und mit ihren Mitgliedern in Kontakt zu bleiben. Fast über Nacht musste man die Gemeindeaktivitäten online stellen. Die Organisation der gemeinsamen Sitzungen durch Video-Konferenzen war noch ziemlich einfach, auch wenn es für viele ganz neu war. Jedoch den sonntäglichen Gottesdienst aufrecht zu erhalten und ihn digital zu übertragen, stellte vor allem jene Gemeinden vor grosse Herausforderungen, die mit diesen Technologien nicht vertraut waren. Wie geht man da am besten vor, welche Methoden soll man brauchen?

Wie in den meisten Gemeinden, haben wir auch in der Mennonitengemeinde Les Bulles realisiert, dass das Einhalten der sozialen Distanz die physische Gesundheit gewährleisten würde; jedoch mussten wir neue Wege beschreiten, um zusammen zu bleiben, Wege, auf denen wir Beziehungen unterstützen konnten zum Wohl des mentalen und emotionalen Gleichgewichts. Unsere geistliche Gesundheit verlangte deswegen, dass wir Mittel einsetzen, um soziale Isolierung zu verhindern. Diese Mittel waren oft technischer Natur (Telefon, Smartphone und Tablett, soziale Netzwerke, Internet, Computer, Cloud) und durch Letzteres konnten wir beobachten, dass es manchmal möglich war – virtuell – den Leuten näher zu sein als zu normalen Zeiten.
Unter all unseren Erfahrungen möchte ich die Ausstrahlung unsrer Gottesdienste herausgreifen. Die vorgeschlagenen Lösungen inmitten dieser Pandemie müssen einfach sein, so wirksam wie möglich und zugleich mit unseren theologischen Akzenten übereinstimmen.
In der Gemeinde Les Bulles haben wir das Webinar zur Ausstrahlung unserer Gottesdienste ausgewählt; ich möchte kurz den Unterschied erklären zu anderen Methoden der Verbreitung, und warum diese für unsere Gemeinde besser geeignet war.
Video, Live, Aufnahmen… Eine Reihe von Möglichkeiten, was kann man wählen?
In einem seiner Videos* stellt der „Youtuber„ Shane Melaugh verschiedene Onlive-Events vor, in dem er die Vor-und Nachteile von jedem vorstellt zuhanden einer Firma, welche ihre Aktivitäten entwickeln möchte. Wenn ich hier auf ein digitales Lehrprogramm verweise, dass eher für die Wirtschaft gedacht ist, geht es nicht darum, diese Techniken in den Gemeinden zu propagieren, sondern weil die vorgestellte Typologie die Ausstrahlung unseres Gottesdienstes erleichtert. Shane listet die verschiedenen online Typen so auf:
*https://www.youtube.com/watch?v=7Y8312hRdSM
Live meeting |
– Videokonferenz eher für kleine Gruppen (10-20 Personen oder etwas mehr), – für private Zusammenkünfte, in welchen sich alle kennen und in denen der Akzent auf der Interaktion zwischen den Personen liegt. – passt gut für Zusammenkünfte in Hauskreisen, Hausgemeinden oder kleinere Gemeinden bis zu 50 Mitglieder, mit ca. 25 Verbindungen, und in denen viele der Teilnehmer auch aktiv beteiligt sind, nicht während der Predigt, aber auf jeden Fall im Rahmen der Zusammenkunft – hier, wünscht man, dass die Leute sich sehen, zusammen reden und sich in der Zusammenarbeit äussern. Gebräuchlich sind hier Zoom, Skype, Teams oder Webex. |
Webinar |
Der Begriff kommt von der Zusammensetzung der Wörter web und Seminar. – interaktive Treffen wie Video-Seminare und das Webinar ist bevorzugt für Fernunterricht – eher für private Treffen, die Beteiligten melden sich an oder identifizieren sich zur Teilnahme : die Organisatoren sind im Bild, wer teilnimmt. Man teilt dann die Beteiligten ein und unterscheidet zwischen denen, die die Kamera und den Lautsprecher teilen können und den Teilnehmern, die unsichtbar bleiben, aber dennoch durch Mitteilungen interagieren können – für ein Publikum von 40 bis mehr als 1000 Teilnehmer. Für Gottesdienste ist es angenehmer als eine Videokonferenz in Gruppen, weil wenig Sprecher beteiligt sind und die Beteiligten nicht alle zusammen auf dem gleichen Bildschirm erscheinen. Wenn sich weniger Leute in der Gottesdienst-Form einbringen, ist das Webinar geeigneter, weil die Teilnehmer weniger abgelenkt werden durch die Bilder der anderen Teilnehmer oder von den Mikrophonen, die nicht stumm geschaltet wurden. Webinar gibt es auf vielen Plattformen (z.B. Zoom, WebinarNinja, Adobe Connect, Livestorm, usw.), sie sind jedoch meist kostenpflichtig (mindestens SFR 50-100.- monatlich) |
Live-Stream |
– gibt die Möglichkeit, eine Botschaft zeitgleich zu senden – meistens öffentlich und auf einer Plattform wie Youtube, Viméo oder Facebook und jedermann kann sich zuschalten oder die Sendung verlassen. – ohne Identifizierung oder Anmeldung, man weiss nicht, wer teilnimmt ist. Personen ohne Internet-Anschluss sind ausgeschlossen. Eine minimale Interaktion unter den Zuschauern ist möglich durch Botschaften an die Plattform oder durch SMS – passt für Gemeinden, die den Gottesdienst von der Kapelle aus oder von einem gemeinsamen Standort ausstrahlen – dazu braucht es einen oder zwei Techniker*innen, welche die Aufnahme und die audio-visuelle Ausstrahlung verwalten (mit Software wie OBS) Meistens wird diese Verteilungsart von grösseren Gemeinden gewählt, die schon technische Mittel und Erfahrungen vor der Pandemie hatten. |
Aufnahme |
– kann eigentlich nicht als „Live“ bezeichnet werden. – mehrere Gemeinden haben ihre Predigten vorher aufgenommen. Die Aufnahme kann im üblichen Gemeindesaal aufgenommen werden oder von anderen Orten aus und werden vor der Ausstrahlung zusammengeschnitten. Diese Aufnahme wird dann auf einer der oben- genanten Plattformen zur Verfügung gestellt – kann irgendwann angesehen werden – öffentlich; jedoch kann man nicht erfahren, wann und von wem die Aufnahme angesehen wurde, daher verliert man gänzlich das Gemeinschaftliche durch das Fehlen der Interaktion und das Versammeln der Gemeinde. Die Aufnahme kann für alle Gemeinden passen. |
Sich der Gemeinschaft anpassen, während man auf die Rückkehr zur „Normalität“ wartet
Abschliessend möchte ich sagen: je grösser das Publikum wird, umso diffuser wird die Gruppe der angesprochenen Personen, und daher muss die Botschaft angepasst werden; man wird sich vor 10 Personen eines Hauskreises nicht gleich ausdrücken wie vor 100 Personen einer Gemeinde, in der sich fast alle gut kennen, und nochmals anders vor 1000 Personen, von denen einem viele nicht bekannt sind.
In der Gemeinde Les Bulles haben wir uns entschlossen, in dieser Zeit der Einschränkungen die Gottesdienste auf den Sonntagabend zu verlegen; das gibt unseren Mitgliedern die Möglichkeit, von den Gottesdiensten anderer Gemeinden zu profitieren, die zum Beispiel ihre Gottesdienste am Sonntagmorgen per Livestream ausstrahlen.
Normalerweise haben wir 5-6 Sprecher in einer Predigt. Mit Zoom Webinar kann der Verantwortliche, der die technische Leitung inne hat, jederzeit die Teilnehmer ernennen, die reden sollen. Diese Person ist dann im Mittelpunkt, wie wenn sie vorne in der Kapelle stehen würde. Und dazu, ist es möglich, jedem Teilnehmer, der reden möchte, das Mikrophon zuzuteilen, wenn sie virtuell „die Hand heben“.

Die Musiker nehmen ihre Beiträge im Voraus auf, mit Hilfe des Smartphones und senden sie dem Verantwortlichen per Whatsapp oder Cloud. Die musikalischen Videos werden während der Predigt ausgestrahlt, zusammen mit den Liedversen auf dem Computer des Verantwortlichen. Die Algorithmen von Live meeting oder vom Webinar verformen meistens den musikalischen Klang des Mikrophons; dieses Problem kann vermieden werden wenn der Klang direkt vom Computer kommt, deswegen ist es besser, die Musik vorher aufzunehmen.
Die Zeit nach der Predigt war jedoch eine wichtige Zeit der Gemeinschaft in unserem Gemeindeleben, das konnte das Webinar natürlich nicht kompensieren. Die Leute trafen sich in kleinen Gruppen vor der Kapelle und unter dem Apfelbaum zum Austausch vor dem Mittagessen. Nach etlichen Sonntagen mit Einschränkungen haben wir festgestellt, dass diese Momente der Gemeinschaft uns fehlen und haben dann so ein live meeting organisiert, direkt nach der Predigt. Es gibt die Möglichkeit, uns auch in kleinen Gruppen zu treffen, wo alle sich sehen und miteinander sprechen können, fast wie unter dem Apfelbaum.
Das Webinar schenkt uns zugleich eine grosse Flexibilität bei der Verwaltung der Sprecher und des Inhalts; das Publikum bleibt dabei während der Predigt auf den Inhalt konzentriert . Das Live-Meeting mit seinen kleinen Gruppen schenkt uns die Möglichkeit, die Zeiten der Gemeinschaft nach den Predigten wieder zu geniessen. Schlussendlich war es die Kombination der zwei Modalitäten der Ausstrahlung, die am besten in die Gemeinde-Realität passte, die wir vor der Beschränkung hatten.
Mit der Öffnung, die nun beginnt, merken wir jedoch schon, dass sich wieder Vieles ändern muss, damit wir weiter das geistliche und gemeinschaftliche Leben unserer Gemeinde unterstützen können.
Thomas Gyger
Aeltester der Evangelischen mennonitischen Gemeinde Les Bulles
Traduction : Annie Scheiddegger