Der Difference-Kurs hilft, über schwierige Themen ins Gespräch zu kommen und konstruktiv mit Unterschieden umzugehen. Er wurde von der anglikanischen Kirche ins Leben gerufen und kürzlich auf Initiative des Bildungszentrums Bienenberg auf Deutsch übersetzt. Emma Crick de Boom gehört zum englischen Team des Difference-Kurses. Sie erzählt im Interview, worum es geht und warum es sich lohnt, den Kurs zu wagen.
Artikel aus dem
Bienenberg Magazin, Sommer/Herbst 2025
Ich werde immer wieder gefragt: Gibt es nicht einfache Werkzeuge, um Konflikte zu bearbeiten? Ein Alleskönner für knifflige Situationen. Das Schweizer Sack- respektive Taschenmesser für den Konfliktfall. So wie das Schweizer Taschenmesser vielseitig ist, aber in der Regel nicht für eine Herz-OP gebraucht wird, sind auch Tools für die Konfliktbearbeitung begrenzt. Dennoch gibt es einen Kurs, der ein hilfreiches Werkzeug im Umgang mit Unterschieden werden kann und im besten Fall hilft, sich neue, konstruktive Gewohnheiten anzueignen: der Kurs «Difference», der vom «Reconciling Leaders Network» (RLN) der anglikanischen Kirche ins Leben gerufen wurde. Als wir vom Bildungszentrum Bienenberg den Kurs vor zwei Jahren entdeckten, entstand der Wunsch, ihn auch für den deutschsprachigen Raum zur Verfügung zu stellen. Wir nahmen Kontakt mit dem Difference-Team auf und stiessen auf offene Türen. Gemeinsam konnten wir dann das Projekt durchführen. Jetzt gibt es also «Difference» auf Deutsch. Der Kurs ist komplett kostenlos und kann nach einer Registrierung auf der Webseite und einer Online-Einführung in den Kurs heruntergeladen werden. Auf der Website des Bildungszentrums geben wir einen Überblick über den Kurs. Hier soll auch die Möglichkeit bestehen, sich über den Kurs auszutauschen und sich mit anderen zu vernetzen. Immer wieder werden wir einzelne Themen vertiefen und Artikel zur Verfügung stellen. Zusätzlich stehen wir auch für Konfliktberatung und Mediationen zur Verfügung.
Emma Crick de Boom du kennst dich bestens mit dem Difference-Kurs aus. Du hast ihn schon einige mal geleitet sowie andere bei der Durchführung und Umsetzung begleitet. Was ist die Grundidee hinter dem Kurs?
Emma: Versöhnung ist ein wesentlicher Bestandteil der Nachfolge Jesu. Deshalb unterstützt das RLN Kirchen dabei, inmitten von Spannungen, Meinungsverschiedenheiten und Konflikten eine versöhnende Kraft zu sein. RLN ist eine eingetragene Wohltätigkeitsorganisation, die Teil der Anglikanischen Gemeinschaft ist. Sie ist sowohl innerhalb dieser Gemeinschaft als auch über Konfessionsgrenzen hinweg tätig.
Wir sind überzeugt, dass die Brüche und Spaltungen in unserer Welt nach Menschen verlangen, die sich der Versöhnung verschrieben haben – Menschen, deren Handeln und Worte zeigen, dass ein neuer, besserer Weg möglich ist. Deswegen geht es uns darum, eine Generation zu mobilisieren, die ihre Berufung als Friedensstifter und Versöhner lebt, um eine gerechte und blühende Gesellschaft zu fördern.
Wie ist der Kurs entstanden?
Difference wurde vom Reconciling Leaders Network (RLN) ins Leben gerufen. Führende Personen aus der Versöhnungsund Friedensarbeit kamen zusammen, um Difference zu entwickeln. Inzwischen ist Difference zu einem zentralen Element in unserer Versöhnungsarbeit geworden.
Difference ist Teil unserer Vision, dass die Kirche eine versöhnende Kraft an ihrem Ort sein soll. Neben strategischen Anstössen der Kirchenleitung, spielt auch die Basis eine entscheidende Rolle – die Friedensarbeit von unten, auf der Ebene der alltäglichen Begegnungen. Der Kurs ermöglicht es Einzelpersonen und Gruppen, Veränderungen in alltäglichen Beziehungen zu erleben, sei es am Arbeitsplatz, in der Familie, in der Schule oder in anderen Lebensbereichen.
Wie sieht das praktisch aus? Wie müssen wir uns das vorstellen?
Der Kurs besteht aus fünf Einheiten, die den Teilnehmenden helfen, über Versöhnung, Konflikte, Spannungen im Alltag und ein gutes Zusammenleben nachzudenken. Obwohl der Kurs aus einer christlichen Perspektive geschrieben ist, greift er Themen auf, die alle Menschen betreffen: Wir alle brauchen Verbundenheit, und wir alle erleben Konflikte auf die eine oder andere Weise. Diese Konflikte können offensichtliche Formen annehmen, aber oft sind es unterschwellige Spannungen, die nicht direkt sichtbar sind und dennoch spürbar. In meiner Familie, beispielsweise, gibt es unterschiedliche Meinungen darüber, wen wir wählen oder wie wir über die Lokalpolitik denken. Obwohl dies nicht immer zu offenen Konflikten führt, spüre ich die Spannung. Durch die Prinzipien des Kurses habe ich gelernt, Fragen zu stellen, an die ich vorher nicht gedacht hätte, und es sind Gespräche entstanden, die früher nicht möglich waren. Es ist nicht immer einfach oder bequem, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass unsere Beziehungen trotz der Unterschiede tiefer geworden sind.
Erzähl uns doch etwas darüber, wie der Kurs genau aufgebaut ist.
Jede Kurseinheit besteht aus drei Teilen: Beispielgeschichte, meine Geschichte und Gottes Geschichte. Bei der Beispielgeschichte werden Erfahrungen einzelner Menschen anhand eines Films und einer biblischen Geschichte dargestellt. Der Teil «meiner Geschichte» bietet eine Übung, die es ermöglicht, eigene Spannungen und Konflikte zu analysieren. Zum Schluss gibt «Gottes Geschichte» Raum für persönliche Reflexion, für Gebet und die Frage, wie das Gelernte im Alltag umgesetzt werden kann. Während des gesamten Kurses sind die Teilnehmenden eingeladen, ihre eigenen Geschichten zu teilen und einander zuzuhören.

Emma Crick de Boom, Diocese of Coventry, Church of England, hat den Difference-Kurs bereits mehrfach durchgeführt und unterstützt interessierte Personen.
Worin siehst du das Potenzial des Kurses?
Das Potenzial des Kurses liegt darin, Menschen zu befähigen, über sensible Themen zu sprechen und vor allem zuzuhören. Der Kurs ist bewusst nicht themenspezifisch aufgebaut, damit die Teilnehmenden ihre eigenen relevanten Themen in den Dialog einbringen können. So kann es möglich werden, spannungsvolle politische Themen sowie Veränderungen oder unterschiedliche Meinungen innerhalb der Kirche zu diskutieren.
Der Kurs konzentriert sich auf drei versöhnende Gewohnheiten, die wir sowohl in den Begegnungen Jesu in den Evangelien als auch bei erfahrenen Friedensfachleuten sehen. Zunächst «sei interessiert». Dabei geht es darum die Geschichten anderer anzuhören, die Begrenzungen unserer eigenen Sichtweise zu erkennen und den Wert jedes Menschen anzuerkennen. Darauf folgt «sei präsent». Schaffe authentische Begegnungen, sowohl mit den eigenen Überzeugungen und Stärken als auch mit den Fragen und dem, was wir sonst eher verstecken. Und schliesslich «stell dir Neues vor». Dabei geht es darum, Hoffnung und Möglichkeiten dort zu entdecken, wo wir uns Veränderung herbeisehnen. Gerade in scheinbar unüberwindbaren Gräben kann es schwer sein, neue Perspektiven zu entwickeln. Doch in Offenbarung 21 lesen wir, dass Gott «alles neu macht». Der Prozess, sich Neues vorzustellen, ist keine Einzelaktion. Es ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, bei der wir Gott bitten, mithilfe des Heiligen Geistes unser Vorstellungsvermögen von dem, was möglich ist, zu erweitern.
Diese drei Gewohnheiten helfen uns, aus unseren Echokammern herauszutreten. Wir beginnen die Mauern zu sehen, die wir aufgerichtet haben, nehmen einige Backsteine herunter, sind präsent. So können heilige Begegnungen entstehen. Die drei Gewohnheiten sind für die meisten nichts Neues. Man benötigt sie, um Beziehungen aufzubauen und Vertrauen zu schaffen. Doch als Gesellschaft haben wir es vernachlässigt, sie wirklich zu leben, was zu mehr Spaltungen bei immer mehr Themen geführt hat.
Für wen ist der Kurs gedacht?
Dieser Kurs ist für alle, die Beziehungen aufbauen und Vertrauen innerhalb Ihrer Gemeinschaft stärken wollen und täglich bewusst mit Menschen in Kontakt treten möchten. Zudem richtet er sich an Menschen, die verstärkt Gastfreundschaft üben und eine Kultur der Offenheit prägen wollen. Und er ist eine Hilfe für alle, die eine Kultur des Friedens fördern möchten, mehr darüber erfahren wollen, wie Sie im Alltag Frieden fördern können, sich herausfordernden Fragen stellen wollen, die Ihre bisherigen Haltungen und Ihr bisheriges Verhalten ziemlich fordern könnten.
Interview:
Marcus Weiand, Dozent am Bildungszentrum Bienenberg, Berater und Leiter des Instituts ComPax tätig und freiberuflicher Coach und Mediator
Dieser Artikel wurde zuerst im Magazin des Bildungszentrums Bienenberg veröffentlicht. Für menno.ch wurde er leicht überarbeitet.