Auch Kirchen müssen ihre Verantwortung für den Schutz der Umwelt wahrnehmen. Das findet Marlène Eyer. Zusammen mit ihrem Mann Jean-Pierre hat sie sich dafür stark gemacht, dass die Mennonitengemeinde in Courgenay bei Eco Eglise mitmacht. Dank dem Programm von Interaction soll diese umweltfreundlicher werden und auch sonst neuen Schwung erhalten.
Sie kann nicht mehr genau sagen, wann ihr das Thema wichtig geworden ist. Damit aufgewachsen sei sie auf alle Fälle nicht, erzählt Marlène Eyer. Irgendwann habe sie begonnen, beim Einkaufen von Lebensmitteln möglichst auf biologische Produkte aus der Region zu achten. «Ich glaube, unsere Kinder waren am Ende ein wenig traumatisiert, von der ökologischen Vollwertkost, die ich ihnen aufgetischt habe», lacht sie rückblickend. Im Lauf der Zeit hat sie dann immer mehr Facetten ihres Lebens umweltfreundlich gestaltet. Am Ende auch das Haus, indem sie zusammen mit ihrem Ehemann Jean-Pierre wohnt. Heute ist Umweltschutz ein Herzensanliegen von Marlène. Die 64-jährige aus Courgenay ist mittlerweile Grossmutter. Das hat ihre Motivation noch verstärkt, sich für das Thema einzusetzen: Sie will ihren Grosskinder eine lebenswerte Welt hinterlassen.
Bewahrung der Schöpfung und Nächstenliebe hängen zusammen
2021 reiste sie mit Jean-Pierre nach Südfrankreich in die Domaine des Courmettes von A Rocha. Dort besuchten sie einen einwöchigen Kurs mit Dave Bookles. Er ist theologischer Direktor des internationalen Verbands, der verschiedene Umweltschutzorganisationen mit christlichem Hintergrund vereint. In diesem Kurs sei ihnen klar geworden, wie fest Umweltschutz auch zum Auftrag von Christ:innen gehöre: «Einerseits geht es um die Bewahrung der Schöpfung, die ein wichtiges biblisches Motiv ist. Dann geht es aber auch um Nächstenliebe», betont Marlène. Und mit «den Nächsten» meint sie in dem Moment die Menschen im globalen Süden. «Für sie hat es teilweise verheerende Folgen, wenn wir der Umwelt schaden, zum Beispiel in dem wir zur Klimaerhitzung beitragen.»
Kirchen sollen sich um Umweltschutz kümmern
Marlène und Jean-Pierre finden heute, dass Umweltschutz auch in unseren Kirchen Thema sein muss. Seit zwei Jahren setzen sie sich deshalb dafür ein, dass ihre Gemeinde, die Église Évangélique Mennonite de Courgenay, umweltfreundlicher wird. Den Anfang machten sie mit einem Informationsabend zum Thema. Sie engagierten zwei Referent:inen und luden auch alle anderen Kirchen in der Region ein. Kurz darauf unterbreiteten sie der Gemeindeleitung den Vorschlag, sich als Gemeinde Eco Eglise anzuschliessen. Das Programm unterstützt Kirchen darin, ihre Verantwortung für die Schöpfung wahrzunehmen. Es wird von Interaction verantwortet, dem Dachverband von 32 christlichen Entwicklungsorganisationen aus der Schweiz, und ist Teil der Stop Armut-Kampagne. «Als wir an der Mitgliederversammlung über unseren Vorschlag abgestimmt haben, viel die Zustimmung sehr deutlich aus», berichtet Marlène. Dabei half sicher auch, dass Ökologie und Umweltschutz für niemanden neue Themen waren.
Von der Selbsteinschätzung zu konkreten Verbesserungen
In einem ersten Schritt musste die Gemeinde aus Courgenay eine Online-Selbsteinschätzung ausfüllen. Das übernahm eine Arbeitsgruppe von drei Personen. Der Fragebogen ermittelte für fünf Handlungsfelder, wo die Gemeinde in Bezug auf Umweltschutz genau steht: Gottesdienst und Lehre, Kirchengebäude, Umgebungsgestaltung, lokale und globale Vernetzung sowie kirchlicher Lebensstil. Die Auswertung zeigte, dass sie in drei Feldern bereits gut unterwegs ist, in zwei gibt es Nachholbedarf. «Unterdessen haben wir Ziele festgelegt, wie wird die Situation verbessern können», erklärt Marlène. Dafür stellte Eco Eglise zahlreiche Informationen, Hilfsmittel und praktische Tipps zur Verfügung.
Gottesdienst und Lehre schwingen oben aus
Gut schnitt die Gemeinde unter anderem im Handlungsfeld «Gottesdienst und Lehre» ab. «Das Thema Umweltschutz und unsere Verantwortung für die Schöpfung kommt regelmässig in unseren Gottesdiensten vor», begründet Marlène. Kürzlich ging es in einer Predigt sogar um die Produktionsbedingungen von Cashew-Nüssen – und dass man im globalen Süden viel Leid ersparen kann, wenn man bereit ist, 1,15 Franken mehr auszugeben, für Nüsse die Bio- und Fairtrade-zertifiziert sind. Marlène findet solche Beispiele gut. Sie zeigen den Gemeindemitgliedern konkrete auf, wie sie im Alltag einen Unterschied machen können. Gleichzeitig will sie nichts überstürzen, wenn es um den persönlichen Lebensstil geht, auch wenn dies einer der Bereiche ist, in dem die Gemeinde noch Luft nach oben hat. Wichtig sei, dass alle Zeit hätten, sich in das Thema einzudenken und sich damit anzufreunden. Dabei müsse man auch immer im Blick haben, dass sich gewisse Aspekte eines ökologischeren Lebensstils nicht alle leisten könnten. «Ein Vater von fünf Kindern hat mir kürzlich gesagt, dass es finanziell einfach nicht drin liege, nur Bio-zertifizierte Produkte einzukaufen, auch wenn sie es wollten», hält Marlène fest.
Die Gemeinde als Vorbild etablieren
Ihre Strategie ist, auf der Ebene der Gemeinde voranzugehen und diese als Vorbild zu etablieren. Und auch da sei es wichtig, realistische Ziele zu setzen. So wird die Gemeinde prüfen, ob es möglich ist, alle Glühbirnen im Versammlungslokal durch LED-Leuchtmittel zu ersetzen. Weiter sollen bei Gemeindeanlässen möglichst nur noch regionale Lebensmittel auf die Teller kommen. Zum Putzen sollen nur noch ökologische Produkte eingesetzt und bald soll der Abfall noch konsequenter getrennt werden. «Da werden wir mit einem humorvollen Plakat arbeiten, um alle zum Mitmachen anzuregen», sagt Marlène. Schliesslich plant die Gemeinde auch, unter dem Dachvorsprung ihres Versammlungslokals Nistkästen für Mauersegler anzubringen. Zudem besteht die Idee den Umschwung in einen Gemeinschaftsgarten zu verwandeln. «Dieser könnte beispielsweise Nachbarn oder Menschen mit einem Migrationshintergrund zur Verfügung stehen», erklärt Marlène das Vorhaben.
Neuen Schwung für die kleine Gemeinde
Allerdings: Gerade solche grösseren Projekte brauchen Ressourcen, personelle und finanzielle. Für die kleine Gemeinde in Courgenay eine Herausforderung. «Wir sind vielleicht 25 bis 30 aktive Mitglieder», hält sie fest. Trotzdem und gerade deshalb hofft sie auch, dass Eco Eglise ihnen neuen Schwung verleiht. Vielleicht hilft dabei schon der geplante Workshop, wo die Teilnehmenden zusammen Insektenhotels bauen. «Zu so einem Anlass können wir ganz breit einladen, auch Menschen aus der Umgebung, die noch nicht Mitglied sind», sagt sie. Das sorge für eine neue Dynamik und vielleicht würden dann die ein oder der andere auch hängen bleiben, weil sie oder er das Engagement der Gemeinde überzeugt.
Es braucht Dialog und Stehvermögen
Anderen Gemeinden, die sich vorstellen können, sich mit Eco Eglise auf den Weg zu machen, empfiehlt sie, sich zuerst einmal gut zu informieren: über das Thema und dann auch konkret über Eco Eglise. «Zentral ist aus meiner Sicht, dass im ganzen Prozess der Dialog im Zentrum steht», sagt sie. Es gehe nicht darum, jemandem etwas aufzuzwingen. Aber es sei wichtig am Thema dranzubleiben. «Für mich bedeutet dies auch, dafür zu sensibilisieren, welche Rolle wir als Bürger:innen der Schweiz spielen können», sagt sie. So plant Marlène beispielsweise, ihre Gemeinde zur Abstimmung über den Gengenvorschlag zur Gletscher-Initiative zu informieren. Diese findet im Juni statt. Der Gegenvorschlag will die Schweiz weiter in Richtung Klimaneutralität, Energiesicherheit und Unabhängigkeit von fossilen Energien bringen. Die SVP hat das Referendum dagegen ergriffen. «Am Schluss können alle selbst entscheiden, was sie abstimmen. Aber mir ist wichtig, dass die Leute genau wissen, worum es geht und was auf dem Spiel steht», sagt Marlène.
Texte:
Simon Rindlisbacher